| Beitrag von Michael Oliveri ([email protected]) und Jasmin Blanc Bärtsch Das westliche Lager der offenen Gesellschaft wird heute stark herausgefordert durch den Kampf um Hegemonie der autokratischen Grossmächte, allen voran China, Russland und der Iran. Was kann unser Land dazu beitragen, den Westen und seine Werte zu verteidigen? Erbitterter geopolitischer SystemwettbewerbZwei Lager stehen sich gegenüber: Auf der einen Seite die Staaten der offenen Gesellschaft, für die Werte wie Humanität, Freiheit, Liberalismus und Demokratie gelten. Dazu gehören die USA, Europa, Kanada, Japan, Südkorea, Taiwan und Israel. Auf der anderen Seite die autokratischen Grossmächte, welche sich eine neue Weltordnung auf die Fahne geschrieben haben. Zu diesen gehören China, Russland und der Iran, sowie als Bündnispartner Nordkorea und Venezuela. Dazwischen positionieren sich viele Staaten des globalen Südens, von denen sich nicht wenige vermehrt Russland und China zuwenden und einige sich auch in deren Abhängigkeit begeben haben. Ihre Distanz zum Westen wurde auch an der Ukrainekonferenz auf dem Bürgenstock deutlich sichtbar. Führend dabei sind Mitglieder der Vereinigung der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika; neu dabei sind auch Ägypten, Äthiopien, Iran und die VAE). Die westliche offene Gesellschaft findet sich zunehmend in einer defensiven Position. In einem NZZ-Beitrag (18.7.24) formuliert Benedict Neff die Rolle des Westens folgendermassen: «Im besten Fall kann der Westen Vorbild sein und so andere Gesellschaften und unterdrückte Oppositionen weltweit inspirieren. Es geht nicht um die Beherrschung der Welt durch den Westen, es geht um die westliche Selbstbehauptung, um den Erhalt der liberalen Gesellschaft.» Bedrohungen von aussenMit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine hat sich die Sicherheitslage in Europa wesentlich verschlechtert. In Asien baut China seine Machtpositionen aus und bedroht die Unabhängigkeit von Taiwan. Die USA sehen den Schwerpunkt ihrer Aussenpolitik zunehmend in Asien und erwarten von Europa wesentlich mehr Anstrengungen für die Verteidigungsbereitschaft der Nato. Im Nahen Osten treibt der Iran die islamistische Bedrohung und seine Vormachtstellung voran. Der Iran ist klar der Geldgeber und die treibende Kraft hinter der Hamas, der Hisbollah und den Huthi mit dem Ziel einer Vernichtung von Israel. Bedrohungen von innenIn genannten NZZ-Beitrag «Grösster Feind des Westens ist der Westen» wird auch die Bedeutung von Bedrohungen innerhalb des Westens hervorgehoben. Russland und China betreiben in den westlichen Ländern einen hybriden Krieg und Wühlaktivitäten, um die Bevölkerung zu verunsichern und zu spalten, und sie werben erfolgreich um die Gunst von rechts- und linksradikalen Parteien. Eine gefährliche Bedrohung ist auch der Islamismus, dabei sind Terror und Mordanschläge gegen Lehrer, Journalisten, Politiker, Juden und abgesagte Konzerte von Taylor Swift wegen Terroralarm nur die Spitze des Eisbergs. Islamismus und Antisemitismus werden besonders auch in der heutigen pro-palästinensischen Bewegung in erschreckendem Ausmass toleriert und indirekt oder gar direkt unterstützt. Weiter gefährdet der erhebliche Machtzuwachs rechtsradikaler Parteien, der vor allem auf eine bisher europaweit verfehlte Migrationspolitik zurückzuführen ist, die Stabilität in den demokratischen Ländern. Sozial destabilisierend wirken auch eine als übermässig empfundene Ungleichheit, Skandale wie der durch Habgier und Versagen von hochbezahlten Managern verursachte Ruin der SKA, sowie eine Zunahme von Working Poor oder sonst sich benachteiligt fühlender Menschen und von wirtschaftlich abgehängten Regionen. All dies schadet dem Vertrauen der Bevölkerung in die Marktwirtschaft. Der Widerstandwille des Westens wird geschwächt durch Putin-Versteher, Nationalisten und Rechtspopulisten, Appeasement-Politik, Pazifismus und die Verharmlosung des Islamismus. Es scheint, als sei im Westen da und dort der Sinn für Freiheit und Unfreiheit abhandengekommen. Der Historiker Niall Ferguson schreibt: «Vielleicht ist die wirkliche Bedrohung gar nicht der Aufstieg Chinas und des Islam oder der Anstieg der CO-Emissionen, sondern unser eigener verlorener Glaube an die Zivilisation, die wir von unseren Vorfahren ererbt haben.» Was kann die Schweiz als kleines Land beitragen?(1) Zunächst müssen wir in unserem Land den genannten destabilisierenden Faktoren wo nötig entschieden entgegentreten. Die Haltung gegenüber der Bedrohung und Aggression durch autokratische Grossmächte und gegenüber islamistischen Übergriffen muss eindeutig zum Ausdruck gebracht werden. (2) Unser einzigartiges und erfolgreiches politische System ist geprägt von direkter Demokratie, Mehrparteiensystem und Konkordanz, sozialem Ausgleich, Zusammenhalt der vier Sprachgemeinschaften, Subsidiarität und föderaler Struktur, Rechtssicherheit und Zuverlässigkeit sowie Friedenspolitik. Ausdruck dieser vorbildlichen Qualitäten ist das hohe Vertrauen in die Regierung (siehe Grafik). Natürlich gibt es Verbesserungspotenzial. Die Schweiz sollte aber vermehrt selbstbewusst und zuversichtlich die positiven Erfahrungen mit unserem politischen System auf der internationalen Bühne und insbesondere in Europa einbringen. (3) Die Schweiz kann dazu beitragen, mit kluger Diplomatie, fairen Handelsverträgen, erfolgreicher Entwicklungszusammenarbeit und auch mit der Pflege von kulturellen und sportlichen Beziehungen die Anbindung von Ländern wie Indien, Südafrika und anderer afrikanischer Länder, Saudiarabien, Brasilien an den Westen zu verbessern. (4) Die Schweiz soll einstehen für humanitäre Werte, Völkerrecht und Menschenrechte. Allerdings ergibt sich dabei oft ein schwieriges ethisches Dilemma, beispielsweise: Kann man China wirkungsvoll kritisieren, ohne dadurch die nötige Kooperation beim Handel oder beim Klimaschutz zu gefährden? Soll man mit Saudiarabien als wichtiger westlicher Bündnispartner in Nahost trotz erheblicher humanitärer Defizite der Regierung von Mohammed bin Salman zusammenarbeiten? Bringen die Guten Diensten und eine Vermittlungsrolle der Schweiz mehr Nutzen als eine klare Abgrenzung von autoritären und menschenrechtsverachtenden Staaten? (5) Die Schweiz muss seine Landesverteidigung wesentlich stärken und im Rahmen unserer Neutralität die Zusammenarbeit mit der Nato ausbauen, statt weiterhin als Trittbrettfahrer von der westlichen Abschreckung und Verteidigung zu profitieren. (6) Für Stabilität entscheidend ist auch eine breite Beteiligung am demokratischen Prozess, welcher heute vor allem bei den Jungen unbefriedigend ist. Zukunftsweisend ist beispielsweise ein neues Demokratieprojekt gemeinsam mit Pro Futuris: Sieben grosse Unternehmen haben das Netzwerk "Unternehmen für Demokratie" gegründet und bieten ihren Lernenden Workshops an mit dem Ziel, das Demokratieverständnis und die Zukunftskompetenzen von jungen Erwachsenen in der Schweiz stärken.
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